Reflect & Innovate
Dispositionen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Person, die möglichst gründlich kritisches Denken anwenden möchte, einige Eigenschaften benötigt.
Um selbst eine kritische Denkweise zu etablieren, ist es wichtig, Begriffe klar definieren zu können, sowie verschiedene Perspektiven berücksichtigen und integrieren zu wollen. Bereit sein, die eigene Meinung zu hinterfragen und zu überdenken ist ebenso ein Grundbaustein.
Dies führt dazu, dass jemand auch nur bei bestimmten Themen sehr gut kritisch denken kann. Die Offenheit für verschiedene Denkansätze ist bei vielen themenabhängig. Unterschiede sind zum Beispiel bei Religion, Politik oder Wissenschaft festzustellen.
Kritisches Denken als Kommunikationstool bedeutet, dass weitere Merkmale gefragt sind. Die Fähigkeiten, Fragen zu fokussieren, Argumente zu analysieren und Annahmen zu identifizieren ermöglichen erst eine Konversation mit der Absicht von kritischem Denken. Eine strukturierte Herangehensweise und Fokus auf die Kernfrage tragen dazu bei, bessere Entscheidungen zu treffen und Probleme effektiv zu lösen.
Die genannten Fähigkeiten unterstützen den Prozess, jedoch sind andere Eigenschaften die Auslöser. Personen, die aufgeschlossen sind, ihre eigenen Ansichten hinterfragen, nach Wahrheit streben, unterschiedliche Perspektiven akzeptieren und Wiedersprüche aushalten können und in der Lage sind, unvoreingenommen an Themen heranzugehen, starten in der Regel leichter einen Prozess des kritischen Denkens (Halpern, 1998; Facione, 1990).
Das Entwickeln und Weiterentwickeln dieser persönlichen Eigenschaften ist somit ein guter Schritt, um häufiger und besser kritisches Denken anwenden zu können. Es unterstützt, Diskussionen auf eine sachliche Ebene zu heben und einen wertschätzenden Umgang in der Diskussion zu pflegen. In der Anwendung macht es Sinn, den Rahmen der Diskussion im Vorfeld mit seinen Diskussionspartnern abzustecken. Frei nach dem Motto “hart in der Sache, weich zur Person”, kann mit einer gemeinsamen Diskussionsgrundlage gesichtswahrend auf Missstände in der Argumentation hingewiesen werden.
Kritik
Einige Nachteile des kritischen Denkens gibt es dennoch. Und kritische Denker*innen sollten sich auch kritisch damit auseinandersetzen. Denn jede Antwort oder Lösung durch kritisches Denken könnte Schwachstellen oder unbeobachtete Sichtweisen haben. Auch kritisches Denken hat Einschränkungen.
McPeck (1981) führt an, dass das kritische Denken nicht als eigene Disziplin erlernt werden kann. Es benötige einen Anwendungsbereich. Denn die Kritik der epistemologischen Subjektspezifität ist zu berücksichtigen.
Je nach Fachgebiet sind andere Denkweisen gefordert. Es gibt keinen allgemeinen Ansatz, wie kritisches Denken auszusehen hat. Dies lässt sich leicht zeigen: Das Vorgehen bei der Diagnose von Patient*innen ist anders als bei der Zuordnung eines Gemäldes zu Künstler*innen. Ennis (1989) zeigt dagegen allerdings auch auf, dass Ähnlichkeiten der Herangehensweise und interdisziplinäre Fähigkeiten bestehen. Die Fähigkeit, durch kritisches Denken eine Diagnose erstellen zu können, gibt einem eine Hilfestellung bei kritischem Denken in anderen Themengebieten. Natürlich ist trotzdem der geringere Wissensstand ein Hindernis.
Die größte Kritik oder Schwachstelle des kritischen Denkens liegt wohl in der Distanzierung zum Thema. Der Fokus wird auf Rationalität verschoben (Martin, 1992). Empathie (Martin, 1992), Bemühen für Verstehen fremder Argumente (Thayer-Bacon, 1993), Vorstellungskraft, Intuition und Emotionen werden in der Betrachtung vernachlässigt (Thayer-Bacon, 2000). Die Kommunikation wird durch die reine Sachlichkeit kühl und unempathisch. Nur wenn sich beide Kommunikationspartner*innen im kritischen Denkprozess befinden, kann eine so rational reduzierte Konversation konstruktiv voranbringen.
Das kritische Denken hat eine affirmative Wirkung auf die persönliche Voreinstellung, da bei großer Überzeugung des eigenen Standpunkts der Fokus auf die Fehlerfindung kontrahierender Argumente abschweifen kann. Neuen Impulsen wird negativ begegnet, Zweifel werden verstärkt. (Thayer-Bacon, 1995)
Die Kritik am “Critical Thinking” zeigt somit auf, dass es sich um eine Methode, einen Kompetenzbereich handelt, der Teil der Kommunikation sein kann. Die Methode sollte in Kombination mit anderen Gesprächstechniken angewandt werden, damit das volle Potenzial einer positiven Kommunikation entfaltet werden kann.
Zur Vertiefung dieses Themas empfehlen wir die Literatur der angegebenen Quellen. Ausführliche Quellenangaben finden sich auf der Seite „Materialien und Literatur“.