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Der Prozess des kritischen Denkens

Ziel des kritischen Denkens ist es, autonom ablaufende Prozesse, bewusst zu strukturieren und schrittweise abzuarbeiten. Ohne eine geordnete systematische Methode ist der Denkprozess nicht tiefgründig, sondern basiert auf ungeordneten impulsiven (ersten) Erklärungen oder Ideen. Entscheidungen werden maßgeblich von Fehlschlüssen geleitet (Kahnemann, 2012). Die erste oder naheliegendste Antwort auf eine Frage wird häufig ohne Untersuchung oder Prüfung als richtig gewählt.

 

Dewey (1933) stellt 5 Stufen des kritischen Denkens auf, die dem Denkprozess als Leitfaden dienen:

  1. Vorschläge:


    Die ersten impulsiven Folgerungen für eine Situation oder eine Frage sind zu sammeln. Dies wären die alltäglichen Gedanken, die einem der instinktive Denkprozess liefert.

  2. Formulierung der Kernfrage oder des Kernproblems:


    Anschließend kann die Problematik in eine zu lösende Frage formuliert werden, zu der die Antwort zu suchen ist. Hier liegt die Schwierigkeit darin, die reine Beobachtung der Situation von den bereits intuitiven Interpretationen zu trennen.

3. Aufstellung möglicher Hypothesen: 

Es sollten die ersten Vorschläge und andere plausible Folgerungen als Hypothesen aufgestellt werden. Eine Evaluation der Relevanz jeder Hypothese für die Beantwortung der Kernfrage ermöglicht eine gezielte Fokussierung. Also sortiert man hier nach plausiblen Theorien, die nicht die Interpretation erklären, sondern die Beobachtung aus dem vorherigen Schritt.

4. Ausarbeitung plausibler Hypothesen:

Es gilt, möglichst einzigartige Merkmale der Hypothesen zu finden. Dabei sollte darauf geachtet werden, was die Hypothesen differenziert und welche Hinweise auf das Zutreffen einer Hypothese schließen würden.

5. Testen:

Anschließend sollten die Hypothesen durch physische oder imaginäre Untersuchungen auf ihre mögliche Richtigkeit getestet werden. Falls es um die Abwägung unbeobachtbarer Strategien oder Handlungen geht, dann durchdenkt man jede Hypothese also imaginär und prüft auf dabei bewusstwerdende Komplikationen.

Am Beispiel des Super-Food-Drinks
 

Das zuvor beschriebene Beispiel eignet sich für eine konkrete Betrachtung der Herangehensweise “Critical Thinking”.

1. Vorschläge

Impulsive Folgerungen: Die Werbung nutzt starke visuelle Reize, emotionale Appelle, einfache Botschaften, soziale Beweise und Expert*innenmeinungen, um Vertrauen und Interesse am Produkt zu wecken. Die instinktive Reaktion könnte sein, dass das Getränk gesund ist und das Wohlbefinden steigern kann, basierend auf den positiven Bildern und Testimonials.

2. Formulierung der Kernfrage oder des Kernproblems

Kernfrage: Ist das Getränk tatsächlich so wirksam und vorteilhaft für die Gesundheit, wie die Werbung suggeriert, oder werden emotionale und soziale Faktoren genutzt, um das Produkt attraktiver erscheinen zu lassen?

3. Aufstellung möglicher Hypothesen

  • Hypothese 1: Das Getränk enthält Inhaltsstoffe, die wissenschaftlich nachgewiesen gesundheitliche Vorteile bieten.
  • Hypothese 2: Die Wirkung des Getränkes wird übertrieben dargestellt, um den Verkauf zu steigern, basierend auf Marketingstrategien, die emotionale und soziale Beeinflussung nutzen.
  • Hypothese 3: Die positive Wirkung des Getränkes beruht mehr auf dem Placeboeffekt als auf den tatsächlichen Inhaltsstoffen.

4. Ausarbeitung plausibler Hypothesen

  • Hypothese 1: Untersuchung der Inhaltsstoffe und Suche nach unabhängigen Studien zur Bestätigung ihrer Wirksamkeit.
  • Hypothese 2: Analyse der Werbestrategien und Vergleich mit bekannten Marketingtaktiken, die auf emotionale und soziale Einflüsse abzielen.
  • Hypothese 3: Betrachtung von Studien über den Placeboeffekt in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel und deren psychologische Auswirkungen.

5. Testen

  • Hypothese 1: Durchführung einer detaillierten Recherche zu den behaupteten Gesundheitsvorteilen der Inhaltsstoffe.
  • Hypothese 2: Kritische Bewertung der Werbematerialien und Vergleich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirksamkeit der Inhaltsstoffen.
  • Hypothese 3: Überlegung, ob ähnliche gesundheitliche Verbesserungen auch durch andere Mittel oder sogar durch ein Placebo erzielt werden könnten.

Als Ergebnis bleiben möglicherweise mehrere plausible Hypothesen übrig. Dann ist eine Wiederholung der 5 Stufen sinnvoll mit besonderem Augenmerk auf Schritt 4, dem Finden von Alleinstellungs-Hinweisen der Hypothesen, praktisch. Allerdings garantiert der Prozess bei eingeschränktem Informationsstand nicht, dass eine einzige, endgültig erklärende Hypothese gefunden werden kann (Dewey, 1933).

Um den Prozess für Dein eigenes Projekt zu durchlaufen, findest Du hier ein 

Arbeitsblatt zum Prozess des kritischen Denkens

Zur Vertiefung dieses Themas empfehlen wir die Literatur der angegebenen Quellen. Ausführliche Quellenangaben finden sich auf der Seite Materialien und Literatur“.

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